07.03.2025
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Ohne Frauen stirbt das Land
Um das Problem der Abwanderung wirkungsvoll zu bekämpfen, muss bei der Gleichstellung angesetzt werden: Denn Landflucht ist weiblich. Gehen die Frauen, kommt der Region die nächste Generation abhanden. Es braucht daher dringend Verbesserungen, die sich vor allem an den weiblichen Lebensrealitäten orientieren: flächendeckende ganztägige Kinderbetreuung, gute öffentliche Verkehrsanbindung, sichere Geh- und Radwege, ausreichend Versorgung in Sachen Gesundheit und Pflege.
Die steirischen Grünen machen das Thema „Frauen in ländlichen Regionen stärken“ zu einem ihrer Schwerpunkte in dieser Gesetzgebungsperiode.
Landflucht in Südoststeiermark und Obersteiermark groß
Die Situation ist in vielen ländlichen Gemeinden die gleiche: Viele junge Frauen kehren ihren Heimatgemeinden den Rücken und ziehen in die Ballungsräume, weil sie dort bessere Bedingungen für ihre spezifische Lebensrealität vorfinden. Die Familiengründungen finden dann ebenso oft anderswo statt. Die Folge: Während viele ländliche Regionen mit rückläufigen Bevölkerungszahlen zu kämpfen haben, sieht sich der steirische Zentralraum mit deutlichem Zuzug konfrontiert.
Klubobfrau Sandra Krautwaschl brachte die Ausgangslage in einer Pressekonferenz so auf den Punkt: „Je weiter man sich von Graz wegbewegt, desto augenscheinlicher wird das Problem: Die Abwanderung ist vor allem ganz im Südosten und in der Obersteiermark am größten. Dort gehen den Gemeinden die Frauen abhanden. Was das für die Zukunft bedeutet, ist klar: Gehen die Frauen, stirbt das Land.“
Doch warum verlassen Frauen ländliche Räume? Für Frauen in ländlichen Regionen ist es oft schwieriger, ein selbstständiges und gleichberechtigtes Leben zu führen. Die Defizite reichen von zu wenig Kinderbetreuungsplätzen, Arbeitsplätzen und schlechter öffentlicher Anbindung bis zu schlechter Versorgung in Sachen Gesundheit und Pflege. „Um hier endlich substanziell weiterzukommen und die Rahmenbedingungen für alle zu verbessern, brauchen wir endlich mehr Frauen in politischen Entscheidungspositionen“, so Krautwaschl.
Grüne: 45 Prozent Frauen in Gemeinderäten
Der Nachholbedarf in der Politik ist jedenfalls enorm: In der Steiermark steht nur in jeder zehnten Gemeinde eine Frau an der Spitze: Unter den insgesamt 286 Gemeinde-Oberhäuptern sind gerade einmal 10 Prozent Frauen. In den Gemeinderäten liegt der Frauen-Anteil momentan bei mageren 25 Prozent.
Deutlich besser schaut es in Sachen Gleichstellung bei den Grünen Politiker:innen aus: Momentan sind rund 45 Prozent der Mandate in den Gemeinderäten weiblich besetzt. Auf den Listen für die Gemeinderatswahlen finden sich rund ein Drittel Spitzenkandidatinnen, auf den ersten beiden Listenplätzen sind 45 Prozent Frauen. Noch nicht halbe-halbe, aber zumindest ganz wesentlich mehr als bei anderen Parteien!
Frauen in den ländlichen Regionen stärken wird zu Grünem Schwerpunkt
Die steirischen Grünen machen das Thema „Frauen in ländlichen Regionen stärken“ zu einem ihrer Schwerpunkte in dieser Gesetzgebungsperiode. In den kommenden Monaten sind zahlreiche Anträge geplant, mit dem Ziel, die Lebenssituationen von Frauen in den unterschiedlichsten Bereichen zu verbessern.
Einige der Themenfelder:
- Ausbau ganztägiger Kinderbildung- und Betreuungsplätze
- Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige
- Ausweitung der Frauengesundheitsangebote: z.B. fehlende Frauenärzt:innen auch in Primärversorgungszentren ermöglichen
- Bessere Berücksichtigung von Frauenanliegen in den Gemeinderäten, etwa durch einen eigenen Fachausschuss und eine eigene Gemeindereferent:in für Frauen und Gleichstellung
Neben der parlamentarischen Arbeit werden Sandra Krautwaschl und ihr Team auch in allen steirischen Regionen unterwegs sein, um vor Ort im Austausch mit unterschiedlichen Einrichtungen herauszufinden, wo der Schuh genau drückt und um gemeinsam Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Vorgesehen sind unter anderem Besuche in Gesundheits- und Kinderbetreuungseinrichtungen, aber auch in Sportvereinen, denn auch hier zeigt sich: Frauensport ist ein weiterer Aspekt, der dringend gefördert werden muss.
Blick in drei ausgewählte steirische Gemeinden
In Gleisdorf ist Katharina Schellnegger seit 2020 Vizebürgermeisterin. Bei den bevorstehenden Gemeinderatswahlen ist sie in Gleisdorf die einzige Spitzenkandidatin, übrigens in einem überwiegend weiblichen Grünen Team – während alle anderen Parteien auf ihren ersten Listenplätzen ausschließlich auf Männer setzen. Für Schellnegger ist selbstverständlich: „Wir alle brauchen die Sicht von Frauen. Frauen müssen an den Tischen Platz nehmen, an denen die Entscheidungen fallen. Damit ihre Lebensrealität abgebildet und es für alle besser wird.“
Verena Kriegl, Gemeinderätin in St. Ruprecht an der Raab (Bezirk Weiz), nennt als eines der Hauptprobleme die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das aktuelle Angebot in ländlichen Regionen ist besonders für Familien mit Kindern unter drei Jahren unzureichend. Öffnungszeiten von 7 bis 13 Uhr in Kindergärten und -krippen stellen für viele junge Familien eine immense Belastung dar. Außerdem sind Ganzjahreskindergärten auf dem Land die absolute Ausnahme. „Frauen und Männer sollen nicht länger zwischen Karriere und Familie wählen müssen – sie sollen frei entscheiden können, welches Betreuungsmodell für sie passt“, betont Kriegl: „Echte Wahlfreiheit gibt es nur, wenn wir die Strukturen schaffen, die alle Optionen ermöglichen – und das nicht nur in der Stadt, sondern auch am Land. Dafür brauchen wir eine flächendeckende, verlässliche Kinderbetreuung.“
Hitzendorf in Graz-Umgebung befindet sich im steirischen Zentralraum und ist eine klassische Zuzug-Gemeinde. Gemeinderätin Anna Binder nennt als eines der Positivbeispiele in ihrer Gemeinde die gute öffentliche Verkehrsanbindung an Graz. Diese sorgt in Verbindung mit einer guten Lebensqualität und einem intakten Vereinsleben dafür, dass Binder in Graz arbeitet und studiert, aber weiterhin in Hitzendorf lebt. „Um das Abwandern junger Menschen zu verhindern, muss die Politik die Voraussetzungen dafür schaffen: genügend Angebote vor Ort in Sachen Arbeit, Gesundheit, Familie und Freizeit, aber auch gute öffentliche Verkehrsanbindungen und ein gutes Miteinander in der Gemeinde.“
Große Unterschiede bei Kindergärten und Kinderkrippen
Hier gibt es massive regionale Unterschiede. Vergleicht man die Kinderbetreuungsplätze an Hand ihrer Vereinbarkeit von Beruf und Familie („VIF-Indikator“, Art. 3 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebotes), zeigt sich in der Steiermark vor allem in den Kinderkrippen Aufholbedarf: Bei den 0- bis 2-Jährigen gelten diese Kriterien für 38 Prozent der betreuten Kinder, bei den 3- bis 5-Jährigen für 46 Prozent. Die ländlichen Regionen hinken dabei deutlich hinterher.
So sieht die Abwanderung in den steirischen Regionen aus
Während der Zentralraum weiterhin wächst, sind vor allem die Südoststeiermark und die Obersteiermark mit Abwanderung konfrontiert. Und diese ist überwiegend weiblich. Weitere Details in dieser GRAFIK.
Bei der Kinderbetreuung gibt es regional ebenfalls massive Unterschiede
Bei den unter 3-Jährigen ist der Aufholbedarf generell am größten, und hier wiederum insbesondere am Land. Mehr dazu in dieser GRAFIK.