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10.01.2024 News

Klär-Schla(m)massel in Straß

Vier Personen (Naturschutzbund-Präsident Johannes Gepp, Grünen-Gemeinderätin Eva Schantl, Landtagsabgeordneter Lambert Schönleitner und Grünen-Gemeinderat Wolfgang Walther) halten zwei Geoinformations-Grafiken zur Steiermark in die Kamera

Grüne fordern Projektstopp und wirtschaftliche Neubewertung. Der Bevölkerung drohen enorme Belastungen.

Die millionenteure, aber nicht funktionsfähige Klärschlammverwertungsanlage im steirischen Straß soll offenbar mit der Brechstange erweitert werden. Die Grünen fordern aufgrund der bereits erloschenen ursprünglichen Anlagengenehmigungen, einer fehlenden Umweltverträglichkeitsprüfung, der drohenden Belastungssituation für die Anrainer:innen und eines nicht einmal im Ansatz vorhandenen Finanzierungsplans für die Gemeinden einen sofortigen Stopp des Projekts. Sollte es zu einer Weiterführung der Anlage kommen, wird dies ohne UVP ohnehin nicht möglich sein.

Seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Klärschlammverwertungsanlage in Straß ein Symbol für Fehlplanung und Verschwendung öffentlicher Gelder. Ursprünglich von der „Naturgas Süd GmbH NGS“ – einem Tochterunternehmen des Abwasserverbandes Leibnitzerfeld Süd – wurde den Bürgerinnen und Bürgern 2012 ein grünes Vorzeigeprojekt versprochen: In einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft sollten aus den kommunalen Klärschlämmen Biogas und Düngeasche produziert werden. Das Projekt scheiterte jedoch an gravierenden technischen Problemen und ging nie in Betrieb. Ein von der Opposition initiierter Bericht des Landesrechnungshofes (LRH) bestätigte die gravierenden Mängel und den finanziellen Misserfolg und damit die Kritik der Grünen.

Chronologie des Desasters

Durch die Verschmelzung des Abwasserverbandes mit der NGS wurde der angehäufte Schuldenberg von rund 20 Millionen Euro auf die Mitgliedsgemeinden Ehrenhausen an der Weinstraße, Gamlitz, Gabersdorf, Sankt Veit in der Südsteiermark und Straß in Steiermark übertragen. Trotz mehrjähriger Investorensuche konnte keine Lösung gefunden werden. Nun will ein spezialisiertes Privatunternehmen den Standort zu einer Großklärschlammverbrennungsanlage ausbauen, in der Klärschlamm in großem Stil aus der ganzen Steiermark verbrannt werden soll. Mehr als 55.000 Tonnen Klärschlamm sollen künftig am Standort der Pyrolyse unterzogen werden. Wie dies ohne UVP rechtlich möglich sein soll, bleibt ein Rätsel. Völlig unklar ist, wie die Verträge zwischen dem Abwasserverband und dem privaten Abfallentsorger zu einer geordneten Rückzahlung der Fremdkapitalbelastung führen sollen. Mehr als eine unkonkrete Hoffnung gibt es derzeit nicht.

Umweltaspekte und Lebensqualität

„Ich kann verstehen, dass die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden am liebsten den Klärschlamm aus halb Mitteleuropa in Straß verarbeiten würden, um den fahrlässig verursachten ’20-Millionen-Euro-Flop’ ungeschehen zu machen. Jetzt soll der Schaden offenbar auf Kosten der Bevölkerung wieder gut gemacht werden. Wir müssen uns ernsthaft fragen, ob dieser wohnortnahe Standort überhaupt geeignet ist“, fordert der Kontrollsprecher der steirischen Grünen Lambert Schönleitner einen sofortigen Projektstopp. „Aus meiner Sicht ist davon auszugehen, dass die Anlagen-Betriebsbescheid aus dem Jahr 2015 ohnehin längst keine Gültigkeit mehr hat und ein neues Genehmigungsverfahren nach dem UVP-Recht zwingend notwendig ist. Das bestätigen uns mehrere Rechtsexpert:innen“, so Schönleitner. Die Grünen werden jedenfalls Beschwerde gegen den UVP-Feststellungsbescheid einbringen. Die Anlage liegt in einem Hochwassergebiet, in einem sensiblen Wildtierkorridor und in der Nähe eines Natura 2000-Gebietes, was zusätzliche ökologische Bedenken aufwirft. Zudem leidet die Region bereits unter der Belastung durch zahlreiche andere Abfallverarbeitungsbetriebe – eine Anlage in der geplanten Dimension würde die Lebensqualität der Bevölkerung zusätzlich massiv beeinträchtigen.

Von ökologischen Zielen zu wirtschaftlichen Interessen

Auch für Eva Schantl, Gemeinderätin der Grünen in Straß, ist klar: Kommt das Projekt wie derzeit geplant, tragen die Menschen in den umliegenden Gemeinden die Last – mehr Verkehr, mehr Emissionen, mehr Geruchsbelästigung – während private Investoren Gewinne machen. „Die ursprüngliche Vision, kommunalen Klärschlamm zu Biodünger zu verarbeiten, hat sich in Luft aufgelöst. Was einst als ökologische Innovation gepriesen wurde, ist zu einem profitgetriebenen Unterfangen verkommen“, kritisiert Schantl. Für die Grünen ein klares Beispiel für eine Politik, die wirtschaftliche Interessen über die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt stellt.

Wolfgang Walther, ebenfalls Gemeinderat der Grünen in Straß, betont die Dringlichkeit einer Neuprojektierung: „Versprechungen, Klärschlamm zu Gold zu machen, können teuer werden. Die Bevölkerung darf nicht für ein weiteres Desaster bezahlen. Wir sehen hier eine klare Verantwortungslosigkeit der Entscheidungsträger. Eine Anlage dieser Größenordnung ohne aktuelle Umweltverträglichkeitsprüfung zu betreiben, ist ein direkter Angriff auf unsere Umwelt und die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger.“

Engagement des Naturschutzbundes

Eine Aufklärung der Missstände rund um die Anlage fordert auch Johannes Gepp, Präsident des Naturschutzbundes Steiermark. Auch er kritisiert die Causa: „Dass bei einem Projekt dieser Größe und Tragweite auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet wird, ist nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern zeugt auch von einem fragwürdigen Umgang mit ökologischen Standards.“ Gepp stellt auch unmissverständlich klar: „Der Naturschutzbund ist parteipolitisch unabhängig. Wir ergreifen überall dort Partei, wo sich Initiativen gegen ökologische Zerstörung stark machen. Die Situation in Straß ist ein alarmierendes Beispiel dafür, wie wichtig unser Einsatz für den Umweltschutz ist.“

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