Das 20-Millionen-Grab: Die NGS Naturgas GmbH
RECHNUNGSHOF BESTÄTIGT SCHULDENLAST FÜR DIE FÜNF MITGLIEDSGEMEINDEN DES ABWASSERVERBANDES LEIBNITZERFELD SÜD
Seit 22. November 2022 liegt der Prüfbericht des Landesrechnungshofes in der Causa NGS Naturgas GmbH vor. Dieser über 200 Seiten starke Bericht erfolgte auf Antrag der Grünen und Blauen Fraktion im Landtag, nachdem Gemeinderät:innen auf zahlreiche Unstimmigkeiten rund um das Unternehmen aufmerksam gemacht haben. Das Ergebnis ist erschreckend: Für die fünf Mitgliedsgemeinden des Abwasserverbandes Leibnitzerfeld Süd ist ein Schaden von rund 20 Millionen Euro entstanden. 18,7 Millionen in Form von Krediten und 1,3 Millionen in Form von Förderungen, die in das Unternehmen geflossen sind.
Kurz zusammengefasst: Alle unsere Bedenken und Vorbehalte der vergangenen zwei Jahre wurden vom Landesrechnungshof bestätigt. So warnten wir bereits vor der geplanten Verschmelzung der Naturgas GmbH mit dem Abwasserverband als einzige vor den damit verbunden Konsequenzen: der Übertragung der Schulden auf die Gemeinden. Hieß es damals noch von Seiten des Abwasserverbandsobmanns Karl Wratschko anlässlich unserer Kritik an der Vorgangsweise: “Zwischenrufe sind entbehrlich“ und “von einer Vorbereitung der Schuldenübernahme durch die Gemeinden könne keine Rede sein“, so bestätigt nun auch der Landesrechnungshof diese Verbindlichkeiten. Umgerechnet auf die Haushalte der fünf Mitgliedsgemeinden bedeutet das eine Verschuldung von rund 2.600€ pro Haushalt. So muss die Gemeinde Straß im kommenden Jahr bereits 276.000€ für die Zinsen der NGS-Darlehen aufbringen. Geld, das wir für Gemeindeprojekte dringend brauchen würden!
Ferner bestätigt der vorliegende Prüfbericht auch, dass die übermäßigen Kanalgebührenerhöhungen, wie sie durch Gemeinderatsbeschlüsse in Straß mit Mehrheitsbeschlüssen von der ÖVP vorgenommen wurden, auf Schulden der NGS zurückzuführen sind und, dass Rücklagen des Abwasserverbandes für Darlehensrückzahlungen der NGS zweckentfremdet wurden.
Gerade weil das Ergebnis des Landesrechnungshofberichts alles andere als erfreulich ist, sind wir für die sorgfältige Prüfung der Sachverhalte durch diese unabhängige Instanz mehr als dankbar. Anhand des Berichts wird allzu deutlich, dass die Inkompetenz der agierenden Personen gepaart mit dem Wegschauen von übergeordneten Behörden zu diesem Totalversagen führte. Darüber hinaus lässt diese Causa jegliche Art von Fehlerkultur vermissen. Anstelle Fehlentscheidungen zuzugeben und sich die nötige Fachexpertise zu holen, versuchte man die Angelegenheit unter den Teppich zu kehren. Anstelle von Transparenz schreckte man auch nicht davor zurück Gemeindefunktionär:innen, welche die Vorgänge rund um das Unternehmen kritisch hinterfragten, zu diskreditieren.
Unserer Ansicht nach sollte eine Unabhängige Expert:innenkommission eingesetzt werden, die den Status quo evaluiert, ein schlüssiges Sanierungskonzept erarbeitet und dieses auch den Bürger:innen kommuniziert. Es kann nicht sein, dass die 5 Mitgliedsgemeinden des Abwasserverbandes auf den Schulden der NGS sitzen bleiben und dann auch noch eine Klärschlammverbrennung aufgebrummt bekommen!
Vorgeschichte: Chronologie des Scheiterns
Das Ziel des 2010 gegründeten Unternehmens „Naturgas GmbH“ war Biomethan aus eiweißreichen Bio-Abfällen (z.B. Schlachtabfälle, Abfälle der TKV) und Klärschlamm zu gewinnen und den verbliebenen, getrockneten Klärschlamm zu Düngekohle gewinnbringend weiterzuverarbeiten. Ein auf 20 Jahre abgeschlossener Gas-Liefervertrag mit der Energie Steiermark wurde unter anderem als Garant für die wirtschaftliche Sicherheit abgeschlossen. Detail am Rande: In diesem Vertrag wurden auch Pönalzahlungen bei Nichterfüllung vereinbart. Eine gute Idee, die zu unterstützen ist, gäbe es da nicht einen Haken: Die Verbrennung des übrig gebliebenen Materials aus der Biogasproduktion zu einer als Dünger verwendbaren Asche birgt ihre Tücken. Die Öfen funktionieren nicht. Auch nach zweimaligem Bau der Anlage waren die Öfen nicht funktionsfähig und sind es bis heute nicht. Damit war das ganze Vorhaben nicht mit Gewinn zu betreiben – die Entsorgungskosten des Schlammes aus der Gasproduktion sind so groß, das mit dem Gas nichts zu verdienen ist.
Hinzu kommt, dass eine Anlage gebaut wurde, die nicht den eingereichten Unterlagen entspricht, wie sich bei einer technischen Überprüfung im Jahr 2021 herausstellte. Besonders brisant wird es dann noch, wenn man weiß, dass 2016 – in dem Jahr, in welchem unsere Anlage in Vollbetrieb hätte gehen sollen – eine vergleichbare Anlage der LEGAS in Leoben vom Land aufgrund eines nicht wirtschaftlichen Betriebs und grober technischer Mängel geschlossen wurde. In beiden Fällen war Herr Huber Geschäftsführer und auch bei der Errichtung der Anlagen taucht in beiden Fällen der Name Kohl auf. Unserer Meinung nach waren die Alarmglocken bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu überhören. Nicht jedoch bei den Verantwort- lichen. So wurden weiterhin Millionen in das marode Unternehmen investiert bis dann 2020 offenbar das Geld endgültig ausging, weshalb man die Naturgas GmbH mit dem Abwasserverband verschmolz. Unsere Einwände, dass es mit diesem Schritt zu einer Schuldenübernahme von Seiten der Gemeinden kommt, wurden als lächerlich, unglaubhaft und Lüge bezeichnet.
OFFENE FRAGEN
- Wieso waren die Landesabteilungen nicht bereits durch die 2016 außer Betrieb genommene LEGAS in Leoben alarmiert, bei der die gleichen Personen in Erscheinung traten und ein Schaden von 22 Millionen Euro entstanden ist?
- Wieso mussten die Geschäftsführer Kohl und Huber für die Pleite des Unternehmens bis heute nicht Rede und Antwort stehen?
- Wie sieht der Sanierungsplan für das mit dem Abwasserverband fusionierte Unternehmen aus?
Was sagt die Causa Naturgas GmbH über das Demokratieverständnis der vorherrschenden ÖVP aus?
Macht braucht Kontrolle. Die Opposition ist ein wichtiger Teil der Demokratie, denn sie hat die Aufgabe die Regierenden Parteien – in unserem Fall die ÖVP, allen voran unseren Bürgermeister und nunmehrigen Obmann des Abwasserverbandes Leibnitzerfeld Süd Reinhold Höflechner – zu kontrollieren. Wie bedeutend die Opposition für eine funktionierende Demokratie ist, wird gerade angesichts der Causa NGS deutlich. Ohne den Prüfantrag im Steirischen Landtag, der von den beiden Oppositionsfraktionen Grün und Blau eingebracht wurde, hätte es den vorliegenden Prüfbericht gar nicht gegeben.
Umso nachdenklicher stimmt uns daher die Vorgangsweise der ÖVP. Anstelle von Transparenz begegnete man uns auf allen Ebenen mit Abfuhren und versuchte uns mit dem Verweis auf ein Gesetz aus dem Jahr 1959 mundtot zu machen, indem man mit Klagen drohte. Anfragen und Anträge, teils über unseren Rechtsbeistand eingebracht, blieben auch nach Ablauf von Fristen unbeantwortet oder wurden abschlägig beschieden. Unsere Anfragen an den Gemeinderat wurden mit Schweigen und dem Rausschmiss aus allen Projektgruppen und Ausschüssen quittiert.
Sachliche Kritik wird als persönlicher Rachefeldzug interpretiert und diejenigen, die sie vorbringen, werden in der Öffentlichkeit verunglimpft. Eine konstruktive Zusammenarbeit, die Meinungsverschiedenheiten zulässt und persönliche Befindlichkeiten dem Gemeinwohl hintanstellt, sieht freilich anders aus. Daher liegt es in der Hand jedes einzelnen Wählers und jeder einzelnen Wählerin, diese Situation zu verändern, indem man vom Wahlrecht Gebrauch macht.
Unsere Forderungen
Transparenz:
Aufklärung der Bürger:innen über das Millionendebakel.
Vollständige Offenlegung
... aller Akten im Zusammenhang mit dem ehemals unter Naturgas GmbH bekannten Unternehmen.
Übernahme der Verantwortung
... und entsprechende (personelle) Konsequenzen.
Prüfung
... möglicher strafrechtlich relevanter Vorgänge.
Entzug der Entscheidungskompetenz
... aller bisher involvierten Personen und Einsetzen einer Expert:innen-Gruppe.
Keine Errichtung
... einer Klärschlammverbrennung in Straß in Steiermark.
Offenlegung
... des geplanten Sanierungs-Konzeptes.